Hermann Hesse - Die Häuser 1 und 4

Erstellt: März 2022

Hier noch einmal ein Überblick über die Stände der Grahas bei Geburt und die 3 wichtigsten Charts:

Hermann Hesse
Tag:  2.07.1877 (Ch)
Zeit: 18:55:04 Uhr (Ch) - die offizielle Geburtszeit 18:30 ist Ortszeit
Zone: 1:00:00 h Ost von GRZ
Ort:  Calw (8 E 44' 00", 48 N 43' 00")
Ayanamsha: 22°08'46.97"

GRAHA            GR MI  SEK     RA ZREL STR L ALT PS DB NAKASHATRA                    A B16  B6
-------------------------------------------------------------------------------------------------
Lagna            27 24' 32.01"   8                      18 Jyeshta           Bu       5
Surya - MK       18 43' 19.38"   3 Enem   7 / alt  3 13  6 Ardra             Ra Enem- 2 10.6 7.02
Chandra - PiK     6 01' 40.07"  12 Frnd  15 + alt  7 16 26 Uttarabhadra      Sa Frnd  6 12.7 9.17
Mangala - AmK    19 35' 34.17"  11 Enem   7 / alt  2  0 24 Satabhisha        Ra Enem  3 10.9 5.28
Budha - DK        0 31' 37.65"   3 DOMZ  20 - knd  3  3  5 Mrigashira        Ma Enem  3 14.2 7.70
Guru (R) - PK     4 59' 52.00"   9 MULA  20 + knd  2 16 19 Mula              Ke Enem  5 13.5 8.02
Shukra - GK       4 03' 17.69"   4 Enem-  5 - tot  2  3  8 Pushya            Sa Ntrl  5 11.7 6.68
Sani (R) - AK    28 12' 04.85"  11 DOMZ  20 - tot  2 10 25 Purvabhadra       Gu Frnd  2 15.0 7.69
Rahu - BK        10 41' 19.44"  11 DOMZ  20 - jgd    10 24 Satabhisha        Ra DOMZ    10.9  
Ketu             10 41' 19.44"   5 Frnd+ 18 + jgd    20 10 Magha             Ke DOMZ    12.3  
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Chandra-, Rashi- und Navamsha-Chart von Hermann Hesse

Die Häuser 1 und 4 sind im Chart von Hermann Hesse so intensiv miteinander verbunden, dass es bei der Betrachtung der wichtigsten persönlichen Faktoren im Horoskop Sinn macht, sie von Anfang an gemeinsam zu betrachten.

Beginnen wir mit dem Rashi-Chart und dem Aszendenten, dem 1. Haus, dem wichtigsten Haus im Horoskop, dass die Persönlichkeit und die Haupt-Aktivität im Leben anzeigt. Der Lagna (Aszendent) ist in 28°02'06" Skorpion.

Wenn man in der Jyotish-Software Jagannatha Hora mit der rechten Maustaste in die Raute des Aszendentenfeldes und dann mit der linken Maustaste auf "When will lagna change sign in Rashi" klickt erhält man folgende Information:

Daraus geht hervor dass der Aszendent sich ändert, wenn die Geburt ca 2 1/2 Stunden früher oder 9 Minuten und 19 Sekunden später stattgefunden hätte. Da derjenige, der die Geburtszeit notiert (in diesem Fall Hermann Hesses Mutter in ihrem Tagebuch), sie meistens eher etwas zu spät als zu früh ansetzt, kann der Aszendent Skorpion als recht gut gesichert angesehen werden. Auch die vorhergehende Untersuchung des Charts hat ja bereits klar erwiesen, dass Skorpion der korrekte Lagna (Aszendent) ist.

Die Grundstruktur des 1. Hauses im Rashi: Bhava-Karaka Surya und Herr Mangal

Die Grunddynamik des 1. Hauses kann man aus dem Zusammenspiel des Karaka Surya und von Mangal, dem Herrn des 1. Hauses ableiten. Es sei daran erinnert, dass der Karaka eines Hauses immer die Voraussetzungen für das Haus schafft, aus denen der Herr des Hauses dann etwas macht.

Das 1. Haus heißt Tanu-Bhava, Haus des Körpers. Surya als Karaka dieses Hauses baut über die Gene die physische Konstitution des Körpers auf, durch den sämtliche Aktivitäten im Leben ausgeführt werden.

Surya als Bhava-Karaka des 1. Hauses

Surya steht im Rashi im Zeichen Zwillinge im 8. Haus. Surya im Merkur-Zeichen Zwillinge gibt den Körper eines Intellektuellen. Das 8. Haus, Randhra-Bhava, von dem aus Surya das 1. Haus aufbaut, ist ein Dushthana-Bhava, ein Problemhaus. "Katastrophe, Überforderung, Überlebenskampf, Loch, Opfer" sind die 5 Hauptbegriffe, die dem 8. Haus zugeordnet werden können.

Ein Graha im 8. Haus ist ständig am Rande der Überforderung oder darüber hinaus und ist daher nur in dem Grade fähig, positive Wirkungen zu entfalten, wie er stark in seinem Tierkreiszeichen steht und/oder positive Aspekte erhält. Surya steht in Zwillinge im Zeichen des Feindes Budha und im Haus von Shani, der Bhava-Karaka des 8. Hauses ist, im Haus des Todfeindes. Damit wird Surya von der Bewusstseinsdynamik des Zeichens Zwillinge mehr behindert als unterstützt (Zeichen des Feindes) und findet im 8. Haus ein Szenario vor, das sehr belastend ist (Haus des Todfeindes Shani). Dass Shani vom 4. Haus aus als Karaka das Szenario des 8. Hauses aufbaut weist darauf hin, dass es die innere seelische Befindlichkeit, die Situation im Elternhaus und die Beziehung zur Mutter ist, welche Surya im 8. Haus schwer zu schaffen machen. Die Beziehung zur Mutter wird nochmal dadurch betont, dass Surya unter den Chara Karakas der Matru Karaka (MK) im Horoskop ist und so die Mutter im Horoskop verkörpert (siehe Spalte "Kar" ganz oben in der Übersicht der Planeten).

Surya schafft daher als Karaka des 1. Hauses keine guten Voraussetzungen für Gesundheit, Wohlbefinden, Tatkraft, Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein und persönliche Ausstrahlung.

Aber es gibt auch Faktoren, die hier positiven Einfluss nehmen. Ein solcher positiver Einfluss ist Budha (Merkur) als starker Herr und zugleich Bewohner des 8. Hauses. Budha verbessert das 8. Haus sehr und bewirkt erfolgreiches Überleben, eine lange Lebensdauer, intellektuelle Tiefe usw. Auf Budha werden wir später noch zu sprechen kommen, wenn es um Hermann Hesse als Schriftsteller geht. Surya kann allerdings von Budhas Stärke nur wenig profitieren, da Budha ein Feind von Surya ist. Surya selbst ist neutral gegenüber Budha und kann kann daher insgesamt wenigstens zu einem geringen Teil auch die positiven Qualitäten von Budha annehmen.

Wirklich förderlich für Surya ist hingegen der Aspekt von Guru, der stark vom eigenen Zeichen Schütze im 2. Haus aus seinen vollen Einfluss auf Surya zur Geltung bringt. Wissen, eine gute Lebensweise, gute Gesellschaft und gesunde Ernährung sind sehr förderlich für die Gesundheit. Eine Guru-Mahadasha wird es im Leben von Hermann Hesse nicht geben, aber wenn Guru in den Unterphasen (Antardasha, Pratyantardasha usw.) aktiv ist und das 8. oder 1. Haus aspektiert, sollte ein positiver Einfluss auf Gesundheit, Selbstbewusstsein usw. spürbar sein.

Hinzu kommt, dass Surya und Guru zusammen eine königliche Konstallation (Rajayoga) bilden, indem sie sich durch ihren wechselseitigen vollen Aspekt gegenseitig zu Rajayoga-Planeten machen. Surya ist Herr eines Kendra (Haus 10), Guru Herr eines Trikona (Haus 5). Dies wäre ein machtvoller Rajayoga, wenn Surya nicht so schwach stünde. So ist es ein etwas lädierter Rajayoga. Nichtsdestoweniger ist Surya damit Bestandteil einer Rajayoga-Konstellation. Auch eine persönliche Schwäche kann zu Erfolg im Leben beitragen, wenn sie sich mit einer Stärke verbindet. Wir werden darauf zurückkommen, wenn es um Hesses Erfolg als "Autor der Krise" geht.

Budha bildet keinen Rajayoga, da er weder Herr eines Eck- (Kendra) noch eines Trigonalhauses (Trikona) ist. Aber der wechselseitige Aspekt von Budha und Guru, die jeweils stark im eigenen Zeichen stehen, ist durchaus eine sehr förderliche Konstellation, wenn auch nicht ohne Spannung, da sie verfeindet sind.

Nichtsdestoweniger zeigt die problematische Stellung von Surya deutliche Auswirkungen im Leben von Hermann Hesse - die schwache Stellung im extrem anregbaren Merkur-Zeichen Zwillinge in Form von Unruhe, nervösen Leiden, Schlaflosigkeit usw. und in Kombination mit der Stellung im 8. Haus u. a. ausgeprägte Selbstzweifel sowie das Thema Selbstmord, das Hesse sein ganzes Leben lang begleitet und auch zu mehreren Selbstmordversuchen führt. Hermann Hesses schwache Konstitution und nervöse Leiden, die er beide mit seinem Vater teilt, sind vielfach belegt (HWS 35). Ein Artikel im Ärzteblatt mit dem Titel "Hermann Hesse (1877–1962): Alles andere als ein robustes Naturell" gibt hierüber Auskunft. U. a. werden hier eine Schwächung und Reduzierung von Ich-Funktionen, ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität, Rheuma und Augenprobleme diagnostiziert.

Da Surya als König der Grahas und zentrale Kraft auch für die Integration sämtlicher Faktoren im Horoskop mit all ihren unterschiedlichen Interessen und Tendenzen verantwortlich ist, hat eine schwache Surya-Stellung immer auch einen Mangel an Integration und eine gewisse Anarchie zur Folge, die insbesondere Konflikte zwischen verfeindeten Grahas verschärft. Daran sollte man sich erinnern, wenn später von solchen Konflikten die Rede ist.

Aszendent Skorpion und Mangal als Herr des 1. Hauses

Was macht Mangal als Herr des 1. Hauses nun aus den ungünstigen Voraussetzungen, die Surya geschaffen hat?

Mangal ist als Herr des Zeichens Skorpion Herr des 1. Hauses. Menschen mit Aszendent oder Mond in Skorpion gelten als schwierig. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Skorpion ein festes Wasserzeichen ist, d. h. hier werden Emotionen (Wasserelement) angestaut (festes Zeichen). Da Mars ein aggressiver Übeltäter-Planet ist, geht es hier primär um negative Emotionen. Der Skorpion ist ein giftiges Tier, das Gift in seinem Körper ansammelt und dann gegen andere einsetzt. Die Tendenz von Mars, Unerfreuliches loszuwerden und nach außen zu projizieren steht in einem Konflikt zur anstauenden Natur des fixen Wasserzeichens Skorpion. Was der eigenen Natur zuwider ist, wird sowohl angestaut als auch aggressiv ausgeschieden. Hinzu kommt, dass bei Aszendent Skorpion Mangal zugleich auch Herr des 6. Hauses ist und als solcher die Aufgabe hat, mit Problemen und Konflikten umzugehen. Wenn Mangal als Herr des 1. Hauses aktiviert wird, um die Persönlichkeit und die Hauptaktivität des Geborenen zu manifestieren, geht es dadurch immer auch um Probleme und Konfkikte. Aus der Kombination dieser Faktoren ergibt sich als Haupt-Aktivitätsmuster eines Menschen mit Aszendent Skorpion, aggressiv und mit kompromissloser Entschlossenheit gegen alles vorzugehen, was als der eigenen Natur zuwiderlaufend angesehen wird. Wie sich dieses Aktivitätsmuster dann in der Praxis entfaltet hängt von der genauen Stellung von Mangal im Horoskop ab.

Mangal steht im 4. Haus im Zeichen Wassermann.

Planeten in Kendras sind einflussreich und gut platziert. Die Position des Lagnesha (Herr des Aszendenten) in einem Kendra (Eckhaus, Haus 4) ist von daher prinzipiell günstig. Man kann hier durchaus von einem Rajayoga sprechen, denn das 1. Haus ist Kendra und Trikona zugleich und das 4. Haus ein Kendra. Andererseits schädigt ein aggressiver Übeltäter-Planet wie Mangal das sensible 4. Haus, das für das eigene Seelen- und Gefühlsleben und die Geborgenheit in der Familie und im Elternhaus steht; als Herr und Karaka des 6. Hauses bringt Mangal zusätzliche Konflikte in das 4. Haus.

In Wassermann steht Mangal im Zeichen seines Feindes Shani (Saturn), dem wiederum Mangal als Todfeind gegenüber steht. Die wechselseitige Feindschaft wird noch dadurch betont, dass beide sich zusammen im 4. Haus befinden. Der aggressive Mangal ist im Zeichen des Aufhörens, Wassermann, deplaziert: Der Krieger soll aufhören zu kämpfen, das Bild des Rückzugs oder der Flucht. Waffenstillstand als Kompromiss ist aufgrund der Feindschaft zwischen Mangal und Shani weniger ein Thema.

Da Mangal ebenso wie Surya schwach im Zeichen des Feindes steht und keinen förderlichen Aspekt erhält, sondern mit seinen Feinden Shani und Rahu zusammensteht, die das 4. Haus beherrschen, ist klar, dass Mangal in Haus 4 viel zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt ist, um für das 1. Haus die dort von Karaka Surya geschaffenen ungünstigen Voraussetzungen zu verbessern.

Neben dem 1. ist das 4. Haus das wichtigste Haus im Rashi-Chart von Hermann Hesse, denn die zentralen persönlichen Faktoren - Aszendentenherrscher Mars, der Mond als Bhava-Karaka (Haus-Organisator) und der Atmakaraka (AK) Shani als Herr des 4. Hauses - wirken hier zusammen. Untersuchen wir also genauer die Situation im 4. Haus, in der sich der Aszendentenherr Mangal vorfindet.

Haus 4: Das religiöse Elternhaus - Karaka Chandra und Herr Shani

Die wichtigsten Angelegenheiten im Leben, für die das 4. Haus steht, sind: Seelenleben, Denken und Fühlen, Psyche, innere Motive. Heim, Heimat, Wurzeln, Herkunft, Tradition, Privatleben, Mutter, Elternhaus, Verwandte (das 4. Haus heißt Bandhu-Bhava, Haus der Verwandten). Kindheit. Erziehung und Bildung in der Kindheit und frühen Jugend, Allgemeinbildung. Athmosphäre im Elternhaus. Erinnerungen, Vergangenheit. Mantras und andere Fahrzeuge. Kultur, Brauchtum, Mundart, Tradition, Überliefertes. Geborgenheit. Das Grundgefühl "Mutter ist zuhause, mir kann nichts geschehen", Haus und Grundbesitz.

Die Grunddynamik des 4. Hauses ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Chandra, dem Bhava-Karaka des 4. und Shani, dem Herrn des 4. Hauses.

Chandra steht im Zeichen Fische im Zeichen seines Freundes Guru im segensreichen 5. Haus. Kreativität, Kinder, höheres Wissen, gutes Karma (punyam) und Gottes Segen sind die 5 wichtigsten Angelegenheiten des 5. Hauses. Hingabe, Auflösung, Intuition, Rückkehr zur Einheit und Erlösungswissen sind die 5 wichtigsten Merkmale der Bewusstseinsdynamik des Tierkreiszeichens Fische. Chandra, der Mond, steht im 5. Haus als Herr des 9. Hauses, d.h. er ist im 5. Haus aktiv, um von dort aus für das Gedeihen der Angelegenheiten des 9. Hauses zu sorgen, als da sind Lebensglück, Sinn, Religion, Spiritualität und geistiger Lehrer. Chandra verbindet so die beiden förderlichsten Häuser im Horoskop, die beide von Guru als Karaka aufgebaut werden und präsentiert als Bhava-Karaka diese Verbindung im 4. Haus.

Chandra steht gut im Zeichen des Freundes Guru in Fische; er erfreut sich des Segens von Guru, der selbst sehr stark in seinem eigenen Zeichen Schütze im 2. Haus steht. Chandra selbst ist der beste Freund von Guru und nimmt daher dessen Segen freudig an.

Die Voraussetzungen, die Chandra für das 4. Haus schafft, sind somit außerordentlich gut, insbesondere was höhere Bildung und Förderung (Haus 5), Religion, Spiritualität, Lebensfreude (Haus 9) sowie Sprache und Zusammenleben in der Familiengemeinschaft (Haus 2, in dem Guru steht) anbetrifft.

Shani, der Herr des Zeichens Wassermann und somit Herr des 4. Hauses, findet diese von Chandra geschaffenen günstigen Voraussetzungen für das 4. Haus vor und wird seiner eigenen Natur und seinen eigenen Interessen entsprechend etwas aus ihnen machen.

Chandra und Shani sind polare Gegensätze. Das von Chandra beherrschte Tierkreiszeichen Krebs steht Shanis Zeichen Steinbock gegenüber. Krebs, die Heimat von Chandra, steht für lebendige Emotion und stets im Fluss befindliche Bewusstseins-Aktivität. Steinbock steht für Routinearbeit und Notwendigkeiten, die subjektiven Empfindungen keinen Platz einräumen. Chandra ist ein natürlicher Feind von Shani und Shani steht Chandra, der ja prinzipiell keine natürlichen Feinde hat, neutral gegenüber. In Hesses Chart verbessert sich ihre Beziehung durch die temporäre Freundschaft, sodass insgesamt Shani zum Freund von Chandra wird und Chandra Shani neutral gegenübersteht.

Weniger günstig für ihre Beziehung ist, dass Chandra von Shani aus gesehen im 2. Haus steht und Shani von Chandra aus gesehen im 12. Haus. Parashara misst der Stellung der Grahas zueinander große Bedeutung zu. Das 2. Haus ist ein Todeshaus und das 12. ein Problemhaus, daher ist diese Stellung zueinander ungünstig.

Guru ist expansiv, grenzenlos und universal, das große Ja und sein Zeichen Fische steht für alles-umfassende Einheit. Diese Eigenschaften nimmt Chandra in Fische an. Shani hingegen ist einschränkend, begrenzend, das Nein im Horoskop. Guru steht erhöht in Krebs, dem Zeichen von Chandra, dem Heim lebendiger Subjektivität. Shani und seine Zeichen Steinbock und Wassermann repräsentieren Objektivität und konsequente Disziplinierung jeglicher Subjektivität.

Als Freund von Chandra wird Shani als Herr des 4. Hauses das von Karaka Chandra erstellte Angebot nicht ganz und gar ablehnen und etwas völlig anderes daraus machen wollen, aber er wird es strikt filtern und umwandeln. Die Lebensfreude, Kreativität und mystische, sehr persönliche und innerliche Religiosität bzw. Spiritualität, die Chandra für das 4. Haus anbietet, wird Shani seiner eigenen Natur entsprechend einer strengen Disziplin unterwerfen und insbesondere die darin mitschwingende persönlich-subjektive Note auf ein Minimum reduzieren.

Im Zyklus der Bewusstseinsaktivität, die von den 12 Tierkreiszeichen gebildet wird, steht das 11. und damit vorletzte Zeichen Wassermann, das von Shani beherrscht wird und in dem er sich befindet, für das Aufhören der Aktivität des Bewusstseins. Wassermann ist kein Wasserzeichen (Wasser steht für Bewusstsein), sondern ein Luftzeichen und heißt im Jyotish Kumbha, was "Krug" bedeutet. Der Krug wird hier ausgegossen und bleibt leer (bzw. von Luft gefüllt) zurück. Das Bewusstsein verliert das Interesse an der Welt und zieht sich zurück, in die Unmanifestiertheit und Stille. Shani, der Planet des Nein, der Verlangsamung und Beruhigung, ist naturgemäß der Herr dieses Zeichens.

Die Natur des Zeichens Wassermann wird noch deutlicher in Kontrast zu seinem Gegenpol, dem gegenüberliegenden Zeichen Löwe, das von Surya, dem König der Grahas, beherrscht wird. Löwe ist das Zeiches des machtvollen Egos und steht für Selbstbewusstsein, Macht, Souveränität, Herrschaftsanspruch und Geltungsdrang. Alle diese Qualitäten verneint das Zeichen Wassermann. Es fördert und fordert Ich-Losigkeit, Demut, Sich-Unterordnen, Bescheidenheit bis zur Unscheinbarkeit oder persönlichen "Unsichtbarkeit" hin und Objektivität statt Subjektivität. Shani als Herr des Zeichens Wassermann verwirklicht diese Qualitäten. Dass er dabei auch selbst in Wassermann im 4. Haus steht verstärkt seinen Einfluss zusätzlich.

Shani steht sehr stark und günstig im eigenen Zeichen Wassermann. Obwohl er ein natürlicher Übeltäter-Planet ist, wird er als Bewohner das 4. Haus daher nur wenig schädigen, zumal er ja als Herr des 4. für das Gedeihen dieses Hauses verantwortlich ist - eine Aufgabe, die er gut zu erfüllen vermag, wobei er Gedeihen sehr viel anders interpretiert als Chandra, der Karaka des 4. Hauses.

Hermann Hesse ist in einer Pietisten-Familie aufgewachsen. Die Mitglieder dieser Familie sind keine Kirchenchristen, die sonntags in die Kirche gehen und ansonsten leben, wie es ihnen Spaß macht. Religion ist für sie alles und sie durchdringt und bestimmt alle Aspekte ihres Lebens.

Schon Hermann Hesses Großväter mütterlicher- und väterlicherseits - Dr. phil. Hermann Gundert und Dr. med. Carl Hermann Hesse - mitsamt ihren Ehefrauen, widmeten sich ebenso der Heidenmission wie Hermann Hesses Eltern Marie und Johannes. Sie waren sogar eine Zeit lang als christliche Missionare in Indien tätig. Religion nach Indien zu exportieren ist zwar aus meiner Sicht ähnlich bizarr, wie den Eskimos Kühlschränke zu verkaufen oder wie wenn die Automobilindustrie der DDR Trabis in die Bundesrepublik, das Land der VWs, BMWs und Mercedesse, hätte exportieren wollen, aber sie sahen es als ihre Lebensaufgabe an, die armen fehlgeleiteten indischen Heiden zur einzig wahren und heilbringenden christlichen Religion zu bekehren. Hermann Hesses Mutter Maria wurde sogar in Indien geboren (HWS 40) - allerdings meint "Indien" in Zusammenhang mit Hesses Familie eigentlich nicht wirklich Indien, sondern den Teil Asiens, der damals "Hinterindien" genannt wurde.

Die Religiosität, die das Leben in Hermann Hesses Elternhaus bestimmt, entspricht voll und ganz dem, was wir bisher als Ergebnis der strengen Umformung des Angebots von Chandra durch den Wassermann-Shani im 4. Haus beschrieben haben. Der einzelne Mensch lebt ausschließlich, um sich dem Willen Gottes zu unterwerfen und ihm zu dienen. Alles andere ist Hochmut und damit Sünde (HWS 23). Persönliche Wünsche und Bestrebungen sind dieser Aufgabe ganz und gar unterzuordnen. Hermann Hesses Eltern hatten selbst mitunter Schwierigkeiten mit solch rigorosen religiösen Vorschriften, aber letztlich unterwarfen sie sich. Dasselbe erwarteten sie auch von ihrem Sohn Hermann.

Eine solche Forderung nach Unterwerfung der individuellen Persönlichkeit unter das Diktat religiöser Gebote gilt in der modernen Welt als unmenschlich und unakzeptabel. Dennoch bietet das 4. Haus in Hermann Hesses Rashi-Chart in seiner Grundstruktur keineswegs das Bild einer Hölle, in der die Kinderseele gefoltert wird. Zwar stehen 3 natürliche Übeltäter-Planeten im 4. Haus, aber Karaka Chandra steht stark und günstig, ebenso Shani als Herr und Bewohner. Auch Rahu steht in Wassermann im eigenen Zeichen günstig und verträgt sich gut mit Shani und Chandra.

Der Störfaktor im Elternhaus: Aszendentenherr Mangal, Hermann Hesse selbst

Aber ein Faktor im 4. Haus ist schwach, deplatziert, problematisch und ein ausgesprochener Störfaktor: Mangal, der Herr des 1. Hauses, der Hermann Hesse selbst verkörpert.

"Bei den Hesses und Gunderts ist die Familie immer die kleinste Zelle einer einzigen großen Aufgabe: der Heidenmission. Sie sind erfolgreich, nur vor einem Heiden werden sie kapitulieren müssen, jenem neuen Hermann in der Familie, den Großvater Dr. Hermann Gundert am 3. August 1877 tauft." - so bringt Hermann Hesses Biograph Gunnar Decker es auf den Punkt (HWS 23 f).

Chandra, dem Karaka des 4. Hauses, ist Mangal noch in Freundschaft verbunden. Mangal ist ein Freund von Chandra und Chandra sogar bester Freund von Mangal. Aber den das 4. Haus dominierenden Herrn und Mitbewohner des 4. Hauses Shani hasst Mangal; er ist dessen Todfeind und auch Shani steht Mangal feindlich gegenüber.

[Korrektur Dezember 2022: Wenn man nach Parashara geht (BPHS 3.55), was ich tun möchte, ist Shani ein natürlicher Freund von Mangal, weil Mangal im Zeichen von Shani (Steinbock) erhöht ist. Die reich kommentierten englischen Ausgaben bringen diese Aussage von Parashara, berücksichtigen sie aber danach in ihrer Tabelle dann nicht. Jedenfalls hasst in Hesses Chart Shani Mangal nicht und ist nicht dessen Todfeind, sondern steht ihm, wenn man die temporäre Feindschaft mit einbezieht, letztlich neutral gegenüber. Mangal steht demnach auch nicht in Wassermann im Zeichen eines Feindes, sondern in dem eines neutralen Planeten, was seine Stellung insgesamt etwas verbessert. Bitte sich daran an den anderen Stellen im Text erinnern; ich bringe diese Korrektur nur hier an dieser Stelle. Verschiedene Artikel auf meinen Seiten spiegeln ja ohnehin unterschiedliche Phasen meiner Jyotish-Entwicklung wider. Mangal bleibt seinerseits aber ein Todfeind von Shani.]

[Erneute Korrektur Juni 2023: Laut Parashara ist Wassermann eines der feindseligen Zeichen für Mangal (BPHS 50.30); obwohl Shani Mangal neutral gegenübersteht, steht Mangal in Wassermann also doch nicht neutral, sondern ungünstig. Die Dynamik des Zeichens Wassermann besteht in Zur-Ruhe-Kommen und Rückzug; das passt nicht zur aggressiven, kämpferischen Natur des Mars.]

Dem Mitbewohner Rahu begegnet Mangal als Todfeind und Rahu ist ihm feindlich gesonnen. Mangal ist der einzige Faktor im 4. Haus, der Feindschaft und Konflikt erzeugt, ein schwer zu ertragender Unruhestifter und Störenfried.

Die Freundschaft zwischen Mangal und Chandra, dem Karaka des 4. Hauses, und die Feindschaft zwischen Mangal und Shani, dem Herrn des 4. Hauses, verschärft den oben beschriebenen Gegensatz zwischen dem, was Chandra als Religiosität anbietet und was Shani daraus macht. Hermann Hesse, dessen Persönlichkeit in erster Linie von Mangal und Chandra verkörpert wird, lehnt zwar die restriktive, alles Weltliche ablehnende pietistische Religiosität ab, die das Elternhaus beherrscht, ist aber keineswegs areligiös. Er sieht sich selbst als Pantheisten - das ist jemand, der Gott oder das Göttliche in allem, auch in der Natur und in der Welt, erkennen und verehren will (HWS 120). Er selbst bezeichnet sich als Anhänger eines "poetischen Pantheismus" (HWS 124).

Hesses Biograph Gunnar Decker beschreibt dies so: "Hesses poetische Religiosität ist eine Form der Mystik. Diese ähnelt dem Pietismus in einigem, vor allem in der Magie des Wortes, ist aber in ihrem pantheistischen Grundzug keineswegs asketisch. Sie will nicht der Welt entsagen, verdammt deshalb das Sinnliche nicht als sündhaft, bejaht es ebenso wie den Geist. Gott ist, so weiß Hermann Hesse nun, nur in der Welt und nicht in der Weltentsagung zu finden. Darum sieht er sich als Gottsucher, der in Gestalt eines Wanderers daherkommt" (HWS 125).

Kommen wir auf die obige Formulierung des Elternhauses als "einer Hölle, in der die Kinderseele gefoltert wird" zurück: Aus der Sicht von Hermann Hesse selbst traf das in vieler Hinsicht durchaus zu. Er wurde in eine Familie hineingeboren, die einem bedeutenden Teil seiner eigenen Natur - was den Aszendenten Skorpion und Mangal betrifft - nicht gemäß war und die ihn oft als schwer zu ertragenden Störfaktor erlebte und auch so behandelte. Der Einfluss von Karaka Chandra, der das 4. Haus prägt, ist andererseits ausgesprochen positiv. Der Biograph Ralph Freedman spricht von "einer Entwicklung in Gegensätzen, gleichermaßen voller Angstgefühle vor dem Abgrund, vor dem Verlust der Nähe zu Vater und Mutter, wie voller Wohlbehagen und fast idyllischer Wärme. Einerseits liefen die Ängste letztlich in einer einzigen großen Angst zusammen, der Angst, vertoßen zu werden, keine 'Vergebung' zu erlangen für kleinere Sünden und Ungehörigkeiten ... Andererseits erscheint ihm die Kindheit , wie Hesse sie später in seinen vielen autobiographischen Schriften schildert, als eine wunderschöne, dem Blick entschwundene Geborgenheit" (HAK 41).

Das 4. Haus ist nicht nur das Elternhaus, sondern auch das eigene Innere. Hermann Hesses Konflikt mit dem Elternhaus ist zugleich auch ein innerer Konflikt. Durch die Stellung des Aszendentenherrn Mangal in Wassermann sind die Wassermann-Qualitäten ein wesentlicher Teil seiner eigenen Natur, aber das ist eine Natur, durch die er sich von sich selbst entfremdet. Es ist sein Auftrag, aufzuhören, aggressiv und destruktiv zu sein, zur Ruhe zu kommen und sich unterzuordnen, aber er hasst Shani, der ihn dazu bewegen will, weil das seiner ursprünglichen Mangal-Natur zuwiderläuft. Er muss immer wieder gegen Shani rebellieren, obwohl der ein wesentlicher Teil seiner selbst ist - "Eigensinn auf den Abwegen hilfloser Renitenz" nennt der Biograph Gunnar Decker treffend das Ergebnis dieses inneren Widerspruchs (HWS 23).

Shani ist nicht nur der Herr des 4. Hauses und damit der Herr über Mangal im 4. Haus. Er aspektiert auch mit voller Stärke den Aszendenten Skorpion. Auch auf Surya, den Karaka des 1. Hauses nimmt Shani Einfluss, da Surya im Haus des Shani (8. Haus) steht. Und Shani ist im Horoskop der Atmakaraka (AK), der Repräsentant des Selbst. Der Auftrag des Atmakaraka ist in der aktuellen Inkarnation von so zentraler Bedeutung, dass er absolute Priorität hat. Maharishi Parashara sagt:

"Welcher der Planeten von Sonne usw. in einem der Rashis die höchste Anzahl von Graden zurückgelegt hat, wird Atmakaraka genannt ... So wie ein Minister nicht gegen den König handeln kann, so können die anderen Karakas, als da sind Putrakaraka, Amatyakaraka usw., sich in Bezug auf die Angelegenheiten des Geborenen nicht gegen den Atmakaraka durchsetzen. Wenn der Atmakaraka dagegen ist, können die anderen Karakas nicht ihre segensreichen Auswirkungen richtig entfalten. Ebenso können sich andere Karakas, wenn der Atmakaraka förderlich ist, nicht mit ihren negativen Einflüssen durchsetzen." - BPHS 32.3 und 32.9-12

Shani ist der heimliche Herrscher des Rashi-Charts. Eine Revolte gegen ihn kann nicht wirklich erfolgreich sein. Tatsächlich nehmen Hermann Hesses Rebellionen gegen sein Elternhaus meistens die Form von Flucht oder Rückzug an - beides typische Wassermann/Shani-Strategien: Seine aufsehenerregende Flucht aus der Klosterschule in Maulbronn, seine diversen Selbstmordankündigungen und die immer konsequentere Distanzierung von der Familie in der frühen Phase seiner Karriere als Dichter sind Beispiele hierfür. Mangal ist in Hermann Hesses Horoskop übrigens der Amatya-Karaka (AmK); das ist der Minister, der die Anweisungen des Königs Atmakaraka umsetzen soll.

Shani beherrscht die früheste Phase in Hermann Hesses Leben (Shani Mahadasha ab Geburt) und er ist in allen Horoskopen der natürliche Phasenherr der letzten Lebensphase ab 70 Jahren (Naisargika Dasha). Im Alter stellte Hermann Hesse vor seinem Haus ein Schild mit einem Spruch des chinesischen Dichters Meng Hsiä auf:

"Wenn Einer alt geworden ist und das Seine getan hat, steht ihm zu, sich in der Stille mit dem Tode zu befreunden. Nicht bedarf er der Menschen. Er kennt sie, er hat ihrer genug gesehen. Wessen er bedarf, ist Stille. Nicht schicklich ist es, einen Solchen aufzusuchen, ihn anzureden, ihn mit Schwatzen zu quälen. An der Pforte seiner Behausung ziemt es sich vorbeizugehen, als wäre sie Niemandes Wohnung.“

Gunnar Decker deutet an, dass Meng Hsiä in Wirklichkeit ein Pseudonym von Hermann Hesse selbst ist (HWS 658).

Das ist eine perfekte Formulierung der Philosophie von Shani in Wassermann im 4. Haus und seines Einflusses auf das 1. Haus. Gemäß Hermann Hesses früher Ankündigung "Schriftsteller oder garnichts" zu werden, ist das "Garnichts" (Shani in Wassermann) immer eine Alternative geblieben.

Im Januar 1884, als Hermann 6 Jahre alt war, fühlten sich seine Eltern durch Hermanns heftiges Temperament, seine Wutausbrüche und seine Anfälle von unbelehrbarem Trotz so überfordert, dass sie ihn in das nahegelegene Knabenhaus der Missionsschule in Basel verbannten. Nur noch am Sonntag durfte er nachhause kommen (HAK 44). Die Disziplinierung schien erfolgreich zu sein, sodass er im Juni desselben Jahres wieder ins Elternhaus zurückkehren durfte. Aber die alten Probleme traten erneut auf, "Tränen, Wutausbrüche, störrische Verschlossenheit" (HAK 45). Phasen von scheinbarer Fügsamkeit und heftigem Aufbegehren wechseln einander ab (HAK 55).

Im September 1891 bringt Hermann Hesses Mutter den 14-jährigen Hermann nach Maulbronn ins Theologenseminar, wo er seine Ausbildung zum Geistlichen, Theologen oder Missionar beginnen soll. Mit den Mitschülern kommt er dort gut klar, das Bildungsangebot sagt ihm zu und auch mit dem strikt durchorganisierten Tagesablauf und den strengen Lehrern scheint er sich arrangieren zu können. Aber am 7. März 1892 flieht er überraschend aus der Klosterschule. Nach diesem Vorfall gilt er dort als untragbar, geistig gestört und als Gefahr für seine Mitschüler.

Die Eltern schicken Hermann in eine Evangelische Akademie in Bad Boll, eine Art "christliches Kurzentrum" (HWS 76), wo seine Verhaltensauffälligkeit, seine Depression und sein Nervenleiden geheilt werden sollen. Obwohl es ihm dort ganz gut zu gefallen scheint, flieht er schließlich im Juni 1892 auch von dort, kauft sich einen Revolver und droht mit Selbstmord (HWS 77).

Seine nächste Station ist die Irrenanstalt (damals nannte man das noch so) in Stetten, ein Heim für geistig zurückgebliebene und epileptische Kinder (HAK 65). Dort verrichtete er Gartenarbeit und beaufsichtigte geistig behinderte Mitinsassen; auch sich weiterbilden und Freunde besuchen durfte er. Es war also keine strenge Internierung. Sein Zustand bessert sich recht schnell und er darf ins Elternhaus nach Calw zurück. Dort treten verschärft die alten Probleme auf - einschließlich Selbstmord-Ankündigungen - und er wird nach Stetten zurückgebracht. Die Diagnose "primäre Verrücktheit" steht im Raum, was dauerhafte Verwahrung in der Irrenanstalt bedeuten würde. Aber die Eltern haben noch Hoffnung und schicken ihn - seinem eigenen Vorschlag folgend - nach Basel in die Missionsschule, die von Pfarrer Pfisterer geleitet wird. Bei diesem findet Hermann Verständnis und Sympathie. Pfisterer schreibt an Hermann Hesses Vater: "Von Verrücktheit habe ich, ehrlich gestanden noch keine Spur bemerkt .. Ich würde in Gottes Namen es wagen und die Doktoren bei Seite lassen." - (HWS 99). Er empfiehlt, Hermann aufs Gymnasium in Canstatt zu schicken, was auch geschieht. Die Gefahr ist abgewendet. Allerdings rebelliert er weiterhin gegen seine Eltern, insbesondere gegen deren Auffassung von Religiosität und ihre unablässigen Versuche, ihn zu missionieren. Er fühlt sich krank und unglücklich - und erneut wird ein Revolver gekauft. Aber er liest auch viel und besteht das Examen am Gymnasium.

Der Vater findet eine Lehrstelle als Buchhändler für seinen Sohn, aber auch von dort flieht Hermann, bereits nach 3 Tagen. Der Vater diagnostiziert eine "moralische Geisteskrankheit" (moral insanity) und versucht seinen Sohn in der Irrenanstalt in Winnenden aufnehmen zu lassen. Aber der dortige Arzt lehnt ab und Hermann kehrt ins Elternhaus zurück (HWS 107). Schließlich beginnt Hermann Hesse ein Praktikum in einer Maschinenbauer-Werkstatt, die auf die Herstellung von Turmuhren spezialisiert ist. Seine Gesundheit und sein Gemütszustand stabilisieren sich.

Die Geschehnisse in dieser Lebensphase spiegeln die Konflikte zwischen Mangal und Shani im 4. Haus (plus Rahu) gut wieder, sowohl Hermann Hesses Mangal-Reaktionen auf Shani in Form von Zorn, Rebellion und Frustration, als auch die Handlungsweise der Eltern mit ihren Shani-Strategien der Unterdrückung, der Disziplinierung und des Wegsperrens.

Interessanterweise macht Mangal, der für sich allein schon ein Rajayoga-Planet ist, auch Shani zu einem Rajayoga-Planeten und zwar durch die Konjunktion des Herrn eines Trikonas (Mangal als Herr des 1. Hauses) mit dem Herrn eines Kendras (Shani als Herr des 4. Hauses). Trotz ihrer Feindschaft kann das Zusammenwirken von Mangal und Shani im 4. Haus also ein Erfolgsprinzip sein. Dies ist zwar infolge der schwachen Stellung von Mangal ein "lädierter" Rajayoga, aber er eröffnet die Möglichkeit einer Versöhnung von Mangal und Shani.

Trotz aller Probleme erwacht in dieser Zeit in Hermann Hesse das klare Bewusstsein seiner Bestimmung: Er wird "Schriftsteller werden oder garnichts."

Die Zeitqualität bei Geburt

Es gibt noch zwei Faktoren, die für einen Menschen bedeutsam sind, weil sie die Zeitqualität bei Geburt mitprägen: Yoga und Karana. Yoga ist bei Hermann Hesse Shobhana. Dies ist ein glückverheißender Yoga, der mit Surya und Brihaspati, dem Guru der Devas, verbunden ist. Karana ist Vishti, auch Bhadra genannt und dies ist ein problematischer Karana. Parashara sagt, dass ein Yagya notwendig ist, um die negativen Auswirkungen auszugleichen, die eine Geburt unter Vishti Karana mit sich bringt (BPHS Kap. 85). Parashara trifft hier keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Vishti.

Die Stellung von Chandra im Rashi-Chart

Bisher haben wir Chandra, den Mond, der gleichrangig mit dem Aszendenten und dem Herrn des Aszendenten einer der wichtigsten persönlichen Faktoren im Horoskop ist, nur als Karaka des 4. Hauses behandelt. Das 4. Haus zeigt das innere Erleben, wie es in diesem Leben vom Elternhaus und insbesondere von der Mutter geprägt wird. Eine tiefere Ebene der eigenen Psyche zeigt die Stellung des Mondes selbst auf.

Wie bereits erwähnt steht Chandra sehr günstig im 5. Haus im Zeichen Fische. Dies ist das Zeichen seines Freundes Guru, der selbst stark im Zeichen Schütze im 2. Haus steht, das u. a. das Haus der Sprache ist. Chandra ist Herr des segensreichen 9. Hauses. Dies weist auf eine gesunde, freudevolle Grundmentalität hin. Mond stark in Fische: Ausgeprägte Phantasie. Fähigkeit zu vergessen, insbesondere Belastendes. Gute Intuition. In Verbindung mit Haus 5: Große Kreativität. In Verbindung mit Haus 9: Spiritualität, Offenheit für Einheit und das Göttliche in allem sowie darin gegründete Lebensfreude. Verbindung mit Haus 2 und 5: Kreatives Sprachgenie.

Diese günstige Stellung von Chandra bewirkt, dass all die persönlichen Probleme und schmerzhaften Konflikte in Verbindung mit der problematischen Stellung von Surya und Mangal letztlich das Innere des Bewusstseins nicht dauerhaft berühren oder schädigen. Hermann Hesses großartiges und berühmtes Gedicht "Stufen" drückt dies sehr schön aus.

Gehen wir noch einen Schritt weiter und betrachten das Chandra-Chart.

Das Chandra-Chart

Allgemeines zum Chandra-Chart habe ich hier zusammengefasst. Hier noch einmal zwei Aussagen von Maharishi Parashara zum Chandra-Chart:

"Diejenigen, die astrologisches Wissen besitzen, sollten es als gesichert ansehen, dass die Auswirkungen der Stellung des Mondes auch auf den Aszendenten anwendbar sind." - BPHS 12.11

"Ebenso wie die positiven und negativen Auswirkungen der zwölf Häuser jeweils vom Aszendenten und vom Mond aus beurteilt werden ..." - BPHS 66.13

Das Chandra-Chart unterscheidet sich vom Rashi-Chart nur dadurch, dass hier das Zeichen, in dem der Mond steht, als Aszendent genommen wird. Das Ergebnis sieht im Fall von Hermann Hesse so aus:

Alle Planeten behalten ihre Stellung in den Tierkreiszeichen, aber die Haus-Struktur ändert sich. Nur wenn im Rashi Chandra im 1. Haus steht sind Chandra- und Rashi-Chart identisch.

Das Chandra-Chart können wir nun genauso interpretieren wie das Rashi-Chart und erhalten so eine Fülle von neuen Einsichten über den Geborenen und sein Leben. Die aus dem Chandra-Chart gewonnenen Einsichten sind genauso bedeutsam wie die aus dem Rashi-Chart gewonnenen, nur dass hier das Leben aus der Perspektive des Geistes (Chandra) gesehen wird, statt wie im Rashi-Chart aus der Perspektive des Körpers.

Karaka Surya im Chandra-Chart

Surya, der Bhava Karaka des 1. Hauses steht weiterhin schwach im Zeichen seines Feindes Budha, aber hier im 4. Haus. Die Ursache für die schwache Konstitution, Tendenz zu nervösen Leiden usw. ist hier im Elternhaus und in der Psyche zu finden. Suryas Herrschaft über Haus 6, das Haus der Konflikte und Krankheiten, betont die Probleme, die daraus entstehen, aber die Gesamtkonstellation von Surya ist nicht so bedrohlich wie Suryas Stellung im 8. Haus im Rashi.

Das 4. Haus wird hier von Budha beherrscht, der stark im eigenen Zeichen Zwillinge steht. Hier wird sichtbar, was im Rashi-Chart nicht direkt zu sehen war: im Elternhaus waren Literatur und Schriftstellerei eine Leidenschaft, wenn auch ganz im Dienst der Religion. Tausende von Briefen, zahlreiche Familien-Chroniken und -Biographien, Tagebücher und unzählige Zeitschriftenbeiträge und religiös-missionarische Traktate wurden verfasst, auch religiöse Gedichte. Alle das wurde getreulich gesammelt und aufbewahrt. Was die Lust am Schreiben anbetrifft war Hermann Hesse kein Außenseiter in seiner Familie.

Aszendent Fische, Aszendentenherr Guru und Chandra im Chandra-Chart

"Hingabe, Auflösung, Intuition, Rückkehr zur Einheit, Erlösungswissen" - das sind die Kernbegriffe für die Beschreibung der Bewusstseinsdynamik des Zeichens Fische, des 12. und letzten der Tierkreiszeichen. Guru, der Herr des Zeichens Fische und damit des 1. Hauses steht überaus stark im 10. Haus, dem Haus des Berufs, der öffentlichen Wirkung und des Ruhmes, dem einflussreichsten aller Häuser, in seinem eigenen Zeichen Schütze. Als Herr eines Trikona (1. Haus) in einem Kendra (10. Haus) ist er ein Rajayoga-Planet. Berühmtheit und großer Erfolg im Leben wird hier angezeigt. Guru bedeutet Lehrer und Guru in Schütze im 10. Haus als Herr des 1. Hauses zeigt einen Weltenlehrer an. Der Aspekt des starken Budha auf das 10. Haus, der zugleich auch Karaka des 10. Hauses ist, weist auf die Bedeutung der Sprache hin, der Aspekt des schwachen Surya darauf, dass es nicht so sehr die individuelle Person und ihre Ausstrahlung ist, die zu Erfolg und Ruhm in der Welt beiträgt und auch darauf, dass die persönlichen Probleme in der Öffentlichkeit sichtbar werden. Budha wird durch den wechselseitigen Aspekt mit Guru ebenfalls ein Rajayoga-Karaka, ein Erfolgsplanet.

Auch Chandra, der sich naturgemäß im Chandra-Chart immer im 1. Haus befindet, ist als Herr des 5. Hauses ein Rajayoga-Karaka und steht im Zeichen des Freundes Guru für die Verbindung von Gesundheit, Selbstbewusstsein (1.) und Kreativität (5.).

Ein Problem für Chandra ist allerdings, dass sich in seiner Heimatwelt, dem Zeichen Krebs, die ihm verhasste, von Rajas-Tamas geprägte Shukra eingenistet hat. Darauf kommen wir später noch zu sprechen, wenn es um die Shukra Mahadasha geht.

Rashi-Chart und Chandra-Chart stehen für die beiden Seiten der Körper-Geist-Beziehung, die das Leben wesentlich prägt. Was das 1. Haus anbetrifft - Gesundheit, persönliches Handeln, Selbstbewusstsein usw. - überwiegen im Rashi-Chart die Probleme, im Chandra-Chart hingegen Erfolg und Kreativität. Im Rashi-Chart ist Hermann Hesse eher ein Leidender und Erleidender, im Chandra-Chart ist er ein schöpferischer Mensch, der seine Welt verändert. In der Zusammenschau der beiden Charts ist er beides: der erfolgreiche "Autor der Krise".

Soweit in aller Kürze zu den zentralen persönlichen Faktoren im Chandra-Chart. Auch für alle anderen Faktoren im Horoskop und sämtliche Häuser kann und sollte man das Chandra-Chart analysieren, um zusätzliche wichtige Informationen darüber zu erhalten, was in den unterschiedlichen Lebensbereichen vor sich geht.

Der Vergleich von Rashi- und Chandra-Chart

Wenn man in der Jyotish-Analyse verschiedene Charts mit einbezieht, sollte man besonders auf Übereinstimmungen achten, die Synergien bzw. Kohärenz-Effekte erzeugen. Es sind vor allem die Übereinstimmungen in mehreren Charts, die sich gegenseitig verstärken und zentrale Errungenschaften oder Probleme sowie bedeutende Ereignisse im Leben anzeigen.

So ist z. B. auffällig, dass der vom Zeichen her stark gestellte Guru sowohl im Rashi- als auch im Chandra-Chart einen deutlichen Einfluss auf das 10. Haus hat, im Rashi per vollem Aspekt und im Chandra-Chart als Herr und Bewohner des 10. Hauses. Mit noch größerer Gewissheit als nur bei Betrachtung des Rashi-Charts kann man hieraus schließen, dass die Angelegenheiten des 10. Hauses grundsätzlich durch Wissen, Wahrhaftigkeit und eine ganzheitliche Sicht der Dinge usw. eine Förderung erfahren und dass in den Phasen von Guru im Vimshottari-Dasha-System der berufliche Erfolg und die öffentliche Wirkung oftmals einen erfreulichen Aufschwung erleben werden.

Weitere Beispiele: Im Rashi befinden sich 3 Übeltäter-Planeten im 4. Haus, im Chandra-Chart 2 (Budha wird durch die Konjunktion mit Surya zum Übeltäter); das weist verstärkt auf mentale und familiäre Probleme hin. Surya steht im Rashi im 8. Haus und ist im Chandra Herr des 6.; ein deutlicher Hinweis auf eine problematische Konstitution, Selbstzweifel usw. Chandra befindet sich im Rashi im 5. Haus und ist im Chandra als Rajayoga-Karaka Herr des 5.; ein klarer Hinweis auf eine lebendige Phantasie und geistige Kreativität und ebenso darauf, dass der Geborene Kinder haben wird.

Aber auch Divergenzen, Unterschiede sind von Bedeutung. So ist im Chandra-Chart trotz der bleibend schwachen Stellung des Karaka Surya die Situation im 1. Haus bedeutend besser als im Rashi, weil der Herr des 1. Hauses Guru sehr viel stärker und besser steht als Mangal als Herr von 1 im Rashi. Das bedeutet, dass die Angelegenheiten des 1. Hauses - Gesundheit, Handlungsfähigkeit, Selbstvertrauen usw. - insgesamt positiver zu bewerten sind, als dies die Analyse des Rashi-Charts allein nahelegt. Das Prinzip ist: Es gibt nur 1 erstes Haus, d. h. das 1. Haus in verschiedenen Charts betrachtet ergibt nicht verschiedene erste Häuser, sondern nur verschiedene Aspekte des einen 1. Hauses. Mag sich banal anhören, ist aber wichtig.

Was die Dynamik des 1. Hauses im Rashi-Chart betrifft, so ist sie von Rajas-Tamas geprägt, d. h. das persönliche Verhalten ist in Anbetracht des Wasserzeichens Skorpion und dessen Herrschers Mangal von negativen Emotionen geprägt, vor allem von Zorn aber auch von sturem Eigenwillen - Skorpion ist ein fixes Zeichen, ebenso Wassermann, in dem Mangal steht. Die nervöse Anfälligkeit und eine schwache Konstitution, die von der Surya-Stellung angezeigt wird, vergrößert die genannten Probleme noch. Der einzige Sattva-Einfluss im 1. Haus kommt von dem Aspekt von Shani, aber Shani ist ein Todfeind des Karaka Surya, ein Feind des Aszendentenherrn Mangal und ein Übeltäter für den Aszendenten Skorpion. Sein beruhigender Einfluss wird daher im 1. Haus vehement abgelehnt, weil er eine völlige Verfremdung des persönlichen Handlungsimpulses und der Persönlichkeit des Geborenen beinhaltet.

Im Chandra-Chart bringt Karaka Surya im Zeichen des Feindes zwar ebenfalls eine Rajas-Tamas-Dynamik ins Spiel, aber durch den ausgeprägten Sattva-Einfluss des Aszendentenherrn Guru, der stark in seinem Mulitrikona-Zeichen Schütze und einflussreich als Rajayoga-Planet im 10. Haus steht, wird das Niveau der Aktivität hier deutlich angehoben. Auch Chandra trägt als Rajayoga-Karaka mit seiner Rajas-Sattva-Prägung zu einer positiven Entwicklung im 1. Haus bei.

Auf der mentalen Ebene ist die persönliche Aktivität des Geborenen also auf einem deutlich höheren Niveau als auf der Ebene des physischen Handlungsimpulses. Hermann Hesse ragt als Mann des Geistes hervor, nicht als Mann der Tat.

In Bezug auf die Mangal-Shani-Problematik ist im Chandra-Chart ebenfalls Religion/Philosophie ein wichtiger Faktor, weil Mangal hier der Herr des 9. Hauses ist.

Das Navamsha-Chart

Grundsätzliche Überlegungen zum Navamsha-Chart kann man hier nachlesen.

Der Aszendent im Navamsha-Chart ergibt sich daraus, welches der 9 Navamsha-Abschnitte des Aszendenten-Zeichens im Rashi im Moment der Geburt am Osthorizont aufsteigt. Die Grahas werden dann entsprechend ihrer Stellung in den Neunteln ihrer Rashi-Tierkreiszeichen in das Chart eingetragen. Hier noch einmal das Navamsha-Chart von Hermann Hesse:

Der Aszendent im Navamsha-Chart würde sich ändern, wenn die Geburt 6 Minuten und 35 Sekunden früher oder 9 Minuten und 19 Sekunden später stattgefunden hätte. Den Navamsha-Lagna Mina (Fische) kann mal also erst einmal als relativ gesichert ansehen.

Das Navamsha-Chart zeigt an, wie das Universum auf die Handlungen des Geborenen reagiert, wie das Karma der Vergangenheit das Leben eines Menschen beeinflusst und was es im Laufe der Zeit aus ihm macht.

Betrachten wir nun die wichtigsten persönlichen Faktoren im Navamsha-Chart. Beginnen wir mit dem 1. Haus.

Karaka Surya im Navamsha-Chart

Surya, der Karaka des 1. Hauses befindet sich selbst im 1. Haus stark im Zeichen seines besten Freundes Guru.

Aszendent Fische, Aszendentenherr Guru und Chandra im Navamsha-Chart

Wie schon im Chandra-Chart ist auch im Navamsha-Chart der Aszendent Fische. Dies bekräftigt den Einfluss der Qualitäten dieses Zeichens auf die Persönlichkeit und Aktivität des Geborenen und auch die Bedeutung des Chandra-Charts.

Der Aszendentenherr Guru befindet sich hier im 3. Haus im Zeichen Stier und damit im Zeichen eines neutralen Planeten.

Das 3. Haus ist das Haus des Antriebs und des Bemühens, Guru steht für Wissen und Lebensfreude und das Erdzeichen Stier für Genuss, Kunst und für die schönen Seiten der Natur. In fortgeschrittenem Alter hat Hesse sich der Malerei gewidmet. Kurz vor seinem Tod beantwortete er die Frage, warum er schreibe mit den Worten: "Weil ich ja nicht den ganzen Tag malen kann." Auf einer Seite über Hermann Hesse sind Aussagen von ihm über seine Malerei zusammengefasst; hier der Link dazu. Sein Malen war ihm Therapie und Leidenschaft. Ähnliches gilt für die Gartenarbeit; die Begeisterung darüber hat er in einem kleinen Band "Freude am Garten" zum Ausdruck gebracht.

Hesses Verlagerung seiner persönlichen Aktivität vom literarischen Schaffen zu Malerei und Gartenarbeit, die sich in der zweiten Lebenshälfte vollzog, zeigt sich in dieser Stellung des Aszendentenherrschers Guru im Navamsha-Chart.

Auch wenn Guru in Stier im Zeichen des neutralen Grahas Shukra steht und beide natürliche Wohltäter sind ist dies keine günstige Stellung. Stier ist für Guru ein feindseliges Zeichen (BPHS 50.29). Guru und Shukra sind zudem prinzipiell Gegenspieler: Guru ist der oberste Ratgeber und spirituelle Meister der Devas, der Götter, der Bewusstseinskräfte. Shukra ist der Meister und oberste Ratgeber der Asuras, der Dämonen, Titanen oder Riesen, der Materiekräfte. Beide sind Brahmanen und verkörpern Wissen, aber Guru steht für den Veda, ganzheitliches Wissen, das seinen Ursprung und Sitz im Bewusstsein hat, Shukra steht für objektbezogenes Wissen, das auf den isolierten Kanälen der Sinneswahrnehmung beruht. Da Guru unter die Herrschaft seines Gegenspielers Shukra gerät, der zudem selbst problematisch steht, ist Gurus Position im Navamsha-Chart deutlich schwächer als die im Rashi- und Chandra-Chart.

Gegen Ende seines Lebens hat die literarische Tätigkeit Hermann Hesse nicht mehr viel Freude bereitet und er verspürte eine zunehmende Distanz dazu. Die Stellung von Budha im 8. Haus im Rashi (das 8. ist ein Shani-Haus, Shani ist der Bhava-Karaka des 8.) und die von Shani im Budha-Zeichen Zwillinge im 4. Haus in der Navamsha sind ein Beleg hierfür. Budha und Shani sind - wie schon im Rashi-Chart - miteinander verbunden und befinden sich jeweils im gleichen Haus wie im Rashi, stehen aber beide nicht mehr so stark und günstig von ihrer Zeichenqualität her. Auch erhält Budha nun nicht mehr den sehr positiven und freudebringenden Aspekt von Guru.

Chandra steht im Navamsha-Chart im problematischen und zugleich verbessernden 6. Haus, dem Haus der Konflikte und Schwierigkeiten. Aufgrund der Natur von Chandra sind damit seelisch-geistige Probleme angezeigt. Mangal, der Karaka des 6. Hauses, steht im 1. Haus, was den Geborenen selbst als Quelle der Probleme im 6. Haus aufweist. Auch Surya, der als Herr des 6. Hauses mit der Lösung der Probleme beauftragt ist, steht in Haus 1. Das Entstehen der Probleme und ihre Lösung liegen also bei Hermann Hesse selbst. Mangal und Surya stehen stark im 1. Haus, Mangal ist in der Navamsha ein Rajayoga-Karaka und Surya ist mit dem Rajayoga-Karaka durch Konjunktion eng verbunden - die Konflikte und ihre Verarbeitung tragen letztlich zum Lebenserfolg bei.

Mangal im Navamsha-Chart

Was wird denn aus dem hilflos-zornigen Rebellen, dem Aszendentenherrn Mangal des Rashi-Charts, im Navamsha-Chart? Antwort: Ein wertvoller persönlicher Faktor. Mangal steht im 1. Haus in Fische im Zeichen des besten Freundes Guru als Herr des 9. Hauses und ist somit ein ausgeprägter Rajayoga-Planet. Dass Mangal ein natürlicher Übeltäter-Planet ist ändert daran wenig, auch wenn das Verhalten des Geborenen dadurch nicht immer leicht zu ertragen ist, weil er seine Überzeugungen (9. Haus) durchaus vehement vertritt und dem auch in seiner Art zu sprechen (Mangal als Herr von 2) Ausdruck verleiht. Mangal und Surya bringen die Qualitäten des Zeichens Fische (Höheres Wissen, Intuition, Einheit) besser und unverfälschter zum Ausdruck, als der von sich selbst entfremdete Aszendentenherr Guru das vermag.

Mit Shani, der immer noch im 4. Haus steht, ist Mangal in der Navamsha einigermaßen versöhnt. Beide aspektieren sich hier gegenseitig und ringen immer noch um die Herrschaft im 4. und im 1. Haus, aber Mangal ist nicht mehr hoffnungslos unterlegen.

Insgesamt hat das Navamsha-Chart nicht mehr eine so prägnante und kraftvolle Struktur wie das Rashi-Chart. Vor allem das 10. Haus, das im Rashi von 7 Grahas per Bewohner, Herrschaft, Aspekt und Karaka ein extrem wichtiger Schauplatz ist, verliert hier stark an Bedeutung. Eine öffentliche Wirkung zu erzielen ist für den "späten Hermann Hesse" nicht mehr so wichtig.